Tri-Wissen: Kreatin – legales „Doping“?

Prof. Dr. Ulrich Haas, Leiter der nationalen Anti-Doping-Kommission von 1999-2002, forderte bereits vor mehr als zehn Jahren Kreatin in die Dopingliste aufzunehmen. Was ist dran an der Substanz und welchen Nutzen hat das Nahrungsergänzungsmittel Kreatin im Triathlon? Viele Fragen – hier die Antworten.

Vorkommen: Ganz natürlich und körpereigen

Ursprünglich ist Kreatin keine künstliche Substanz. Vielmehr ist es körpereigen und wird in der Leber, den Nieren und der Bauchspeicheldrüse aus den drei Aminosäuren Arginin, Glycin und Methionin gebildet. Einzig Methionin muss zum Aufbau mit der Nahrung aufgenommen werden, da der Organismus nicht in der Lage ist diese Aminosäure selbst zu bilden. Neben der Eigensynthese sind tierische Lebensmittel, im Besonderen Fleisch- (4 bis 5 Gramm Kreatin pro kg Rindfleisch) und Fischprodukte (2 bis 4 Gramm Kreatin pro kg) wichtige Lieferanten. Pflanzliche Lebensmittel enthalten nur sehr wenig Kreatin und tragen daher nicht in bedeutsamen Mengen zur Bilanz bei.

Im menschlichen Organismus sind in etwa 120 Gramm Kreatin gespeichert. Wobei der größte Anteil von 95 Prozent in der Skelettmuskulatur eingelagert ist.

Der Körper verbraucht unter normalen Belastungen in etwa zwei Gramm Kreatin am Tag. Eigensynthese und Zufuhr über die Nahrungsaufnahme halten sich beim Auffüllen der Speicher mit je einem Gramm pro Tag die Waage. Wichtig zu wissen ist, dass der Körper weniger Kreatin selbst herstellt und sich diese Arbeit spart, umso mehr es über die Nahrung -also auch über Nahrungsergänzungsmittel- aufgenommen wird.

Funktion: Für die kurzen intensiven Belastungen

Wichtig zu wissen ist, dass die menschliche Zelle über zwei Energieträger verfügt. Zum einen ist das ATP, welches für alle energieverbrauchenden Prozesse direkte Energie liefert. Und zum Anderen Kreatinphosphat, das die ATP-Speicher wieder auffüllt. Kreatin stellt damit in der Muskelzelle an Phosphat gekoppelt einen wichtigen, aber sehr kleinen Energiespeicher dar. Zusammen mit ATP sorgt Kreatinphosphat für eine sehr hohe Energieflussrate. Es ist also eine schnell verfügbare Energiequelle, die aber bereits nach circa zehn Sekunden intensiver Belastung verbraucht ist.

Kreatinphosphat wird durch Spaltung zwar schnell verbraucht, aber in Erholungsphasen innerhalb kürzester Zeit wiederhergestellt. Sehr interessant ist auch, dass in diesen kurzen, sehr intensiven Belastungsphasen kein Laktat gebildet wird, wie es bei längeren gesteigerten Belastungen passiert. Dies hängt damit zusammen, dass es zu keiner vermehrten Sauerstoffaufnahme kommt. Ein Phänomen, welches ihr auch leicht selbst beobachten könnt. Beispielsweise bei Schnelligkeitsintervallen auf der Bahn mit 60m Sprintstrecke. Während der Belastung spürt ihr keine Beschleunigung der Atmung. Die vom Körper eingegangene Sauerstoffschuld atmet ihr im Anschluss an die Belastung einfach nach. Diese nachgeatmete Menge an Sauerstoff dient ausschließlich dem Wiederaufbau eurer Kreatinphosphatspeicher.

Einfluss auf die Leistungsfähigkeit

Durch die zusätzliche Einnahme von Kreatin erhofft man sich eine größere Reserve Kreatinphosphat in der Muskulatur. Damit auch die Möglichkeit die kurzen, sehr intensiven Belastungen etwas länger durchzuhalten und auch die persönliche Maximalleistung zu steigern. Soweit die Theorie. Was wurde aber in der Praxis festgestellt:

  • 10 x 6 Sekunden auf dem Radergometer – Gesamtleistung gesteigert
  • 3 x 30 Sekunden maximaler isokinetischer Krafteinsatz – Leistung in den ersten zwei Serien verbessert
  • 5 x 30 maximale Beinstreckung – Gesamtergebnis gesteigert
  • 4 x 300m Lauf – Gesamtzeit konstant, höhere Geschwindigkeit auf den letzten 100 Metern
  • 4 x 1000m Lauf – Gesamtzeit verbessert

Funktioniert nicht bei jedem

Daraus ist ersichtlich, dass die Forschung sich auf die beschriebenen kürzeren Leistungszeiträume konzentriert. Zum Teil treten auch widersprüchlichen Ergebnisse bei abweichenden Testanordnungen auf. Es wurde deutlich, dass hohe Dosen Kreatin in einer sogenannten „Ladephase“ nicht bei allen Sportlern zu einer Zunahme des Kreatingehalts in der Muskulatur führten. Klare Aussagen mit genauen Angaben über die einzunehmende Kreatinmenge, um zu einer verbesserten Leistung zu gelangen, sind noch nicht möglich. Vielmehr wird vermutet, dass einige Athleten bereits über sehr gut ausgeprägte Speicher in der Muskulatur verfügen und wenn diese voll sind nicht noch mehr Kreatin eingelagert werden kann. Aufladen ist nur bis zu einem bestimmten Grenzwert möglich.

Auch ein entsprechendes Krafttraining führt zu einer gesteigerten Menge an Kreatinphosphat. Einfach dadurch, dass in mehr Muskeln auch mehr Platz zur Einlagerung ist. Dies vergrößert den Energiespeicher für Maximalleistungen. Nur zeichnet sich der Triathlet im Gegensatz zu Sprinter oder Kugelstoßer nicht durch hohe Maximalleistungen, sondern vielmehr durch eine konstant hohe Leistung aus, die im Wettkampf aber nie bis selten den maximal möglichen Bereich erreicht.

Häufig wird die Aufladung mit Kreatin in der Wettkampfvorbereitung mit dem Carbo-Loading im Ausdauersport verglichen. Und ich denke, dass bisher niemand von uns die berühmte Kreatin-Party des Veranstalters am Vortag besucht hat, um die Speicher aufzuladen. Auch das zeigt den derzeitigen Stellenwert der Kreatinsupplementierung im Ausdauersport. Langfristige Einnahmen von Kreatin wurden bisher nicht untersucht und damit können negative Effekte bei längerem Konsum nicht ausgeschlossen werden.

Wirkliche Vorteile des Kreatins liegen demnach in den Schnellkraft- und Schnelligkeitsausdauerdisziplinen. Im Vergleich zu den im Triathlon absolvierten Distanzen nur sehr kurze Strecken. In der Ausdauersportart Triathlon wird der Kreatinphosphatspeicher zwar als Starter benutzt, spielt dann aber eine untergeordnete Rolle. Viel wichtiger ist die Ökonomisierung und Verbesserung der aeroben Energiebereitstellung durch Kohlenhydrat- und Fettverbrennung.

Fazit

Die Forderung Kreatin auf die Dopingliste zu setzen scheint überholt. Es ist eine Substanz die vom Körper selbst produziert werden kann und nicht bei allen Sportlern gleiche Leistungszuwächse hervorbringt. Ein Nachteil also für Sportler und ein Auswahlkriterium für Kaderathleten? Eine generelle Empfehlung Kreatin zu supplementieren ist aus diesen Gründen und auch aufgrund möglicher Nebenwirkungen durchaus fragwürdig. Für uns Triathleten ist der Kreatineinfluss eher nachrangig zu betrachten. Schließlich ist unser Sport eine Langzeitausdauerbelastung und das schon ab der Sprintdistanz.

Nutzen hätten wir eventuell bei kurzen Tempoverschärfungen, beim Drücken über kurze Anstiege, oder um die Zeitstrafe für zu langsames Überholen zu vermeiden, wenn das Motorrad mit den Kampfrichtern naht. Betrachten wir die Schattenseiten des Supplements würden mögliche Krämpfe, die Gewichtszunahme -vor allem während des Laufens- einen negativen Einfluss auf die Zeitenjagt haben.

Wieder haben wir keine Alternative zu gezieltem und effektivem Training entdeckt. Interessant wären aber weitere Studienergebnisse über eine verbesserte Regeneration, denn damit könnten zügiger neue Trainingsreize gesetzt werden.

Kreatin Supplementierung…

  • knappe Datenlage in Bezug auf Wirkungen und Nebenwirkungen
  • bei wiederholten, hochintensiven Belastungen sind Leistungssteigerungen erzielt worden
  • bei submaximalen Belastungen und im Ausdauersport keine nachgewiesenen Effekte
  • verbesserte Regenerationsfähigkeit vermutet – damit wären auch höhere Trainingsbelastungen und Trainingskadenzen möglich (allerdings fehlen hier weitere Bestätigungen!)
  • im Ausdauersport bei derzeitiger Datenlage und möglichen Nebenwirkungen bei exzessiver Zufuhr eher von einer Einnahme abzuraten.
MedizinischesTraining

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